Meine Geschichte.


Jeder einzelne Mensch auf dieser Erde hat eine Geschichte. Eine Geschichte, die Gute und schlechte Zeiten aufweist, Höhen und Tiefen. Momente, an die man sich gerne zurück erinnert, aber auch Erfahrungen, die man lieber vergessen würde. Das Leben ist ein einziger Film, in dem man jeden Moment genießen sollte. Es war schon immer so, dass ich keine richtige Beziehung zu meinem Körper hatte. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich einmal ‚normal‘ gegessen habe. Gut erinnere ich mich noch an die Situation, als unsere Lehrerin uns im Matheunterricht in der dritten Klasse gefragt hat, wie viel wir wiegen würden. Stille. Plötzlich erhob ich meine Hand und und sagte voller Stolz ,,33,3 kg‘‘ In dieser Zeit machte es mir regelrechten Spaß, mich jeden morgen zu wiegen und zu sehen, wie die Zahlen schrumpften. Natürlich hatte ich zu dieser Zeit nicht einmal einen Schimmer von dem Begriff ,,Magersucht‘‘. Und doch hätte ich mir gewünscht, dass es dabei geblieben wäre, dass ich wenn überhaupt die nähere Definition dieses Begriffs erfahren hätte, nicht aber ihre Hintergründe. Die Zeit verging und ich machte mir kaum noch Gedanken um meinen Körper. Es begann die Phase der Veränderungen. Neue Schule, neue Lehrer, neue Freunde. Ich war nicht überaus beliebt aber auf keinen Fall unbeliebt. Man könnte behaupten, ich hatte keinen Grund um unglücklich zu sein. Die Zeit rannte und ich begann mich nicht mehr wohlzufühlen in meinem Körper. Ich mochte meine Haare nicht und konnte mich auch nicht mit meinem Gesicht identifizieren. Ich suchte Aufmerksamkeit. Ich verbrachte Stunden in ‚svz‘ schrieb mit vielen, verschiedenen Jungen und Mädchen und sehnte mich danach geliebt und akzeptiert zu werden. Dabei hatte ich genügend Freunde. Im nachhinein frage ich mich, wieso ich nie genug bekommen konnte? Immer mehr wollten und nie zufrieden war mit dem, was ich besaß?

Man muss sagen, dass ich aus einem ziemlich ‚behütetem‘ Elternhaus stamme. Meine Eltern wollten immer, dass ich möglichst gut in der Schule war und dass ihr Bekanntenkreis uns lobte und beneidete. Dieses bedeutete natürlich auch einen enormen Druck. Nach außen musste ich die perfekte Tochter abgeben, jedoch konnte keiner sehen, was bei uns zuhause los war. Ich musste mich jeden Tag mit meinem Vater hinsetzen und lernen. Der Drill meiner Mutter, die Kritik an mir, sie machte mich fertig. Auch dieses war ein Grund, weshalb ich immer auf der Suche nach jemandem war, der mich liebt, wie ich bin.

In meiner besten Freundin M., habe ich wirklich jemanden gefunden, der mich nahm, wie ich war. Mich akzeptierte und unendlich liebte. Jedoch war ich stets eifersüchtig und als ich mich in einen Jungen verliebte und wir kurz darauf auch ein Paar wurden, habe ich alles getan, dass die beiden sich nicht mögen. Ich habe ihm Märchen über sie und ihr Märchen über ihn erzählt. Einfach nur lächerlich. Doch ich war so unendlich eifersüchtig. Eifersüchtig auf meine beste Freundin.
Es begann eine verdammt schöne Zeit mit meinem Freund P. Jedoch bedeutete diese Beziehung auch viele Veränderungen in meinem Leben. Die Freundschaft mit M. bestand nur noch auf glattem Eis und drohte, zu zerbrechen. Ich verstehe bis heute nicht, wieso es mir so ‚egal‘ war. Ich bemerkte nicht, dass ich mich stets veränderte. Nahm Äußerungen in diese Richtung nicht ernst und verlor den Großteil meiner Freundinnen. Auch mit meinen Eltern ging es bergab. Es passte natürlich nicht in ihr Bild, dass ihre Tochter mit 14 einen Freund hatte. Anfangs, konnten sie es nur schwer akzeptieren, jedoch fanden sie sich mit der Zeit damit ab. Mein Essverhalten zu dieser Zeit war definitiv schon gestört. Ich aß nie, wenn ich in der Gegenwart von P., meinem Freund, war. Ich liebte es, wenn er mir sagte, dass ich doch was essen müsse. Ich achtete sehr auf meinen Körper und mein Aussehen. Ich gefiehl mir.

Doch irgendwann neigte sich auch diese Zeit dem Ende zu. Karneval, hat er mich betrogen. Naja, man muss dazu sagen, dass wir im Vorhinein ‚abgemacht haben‘, dass wir Karneval tun und lassen dürfen, was wir wollen. Kurzerhand habe ich mir seinen besten Freund geschnappt und er das nunja, unwürdigste Mädchen der Stadt. Ich konnte damit einfach nicht umgehen und habe mich entgültig von ihm getrennt.

Es begann ein komplett neues Lebensabschnitt. Plötzlich sah ich Dinge, die ich zuvor nicht wahrgenommen hatte. Ich hatte das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich kam in einen neuen Freundeskreis, bei dem ich mich total wohl fühlte. M., meine ‚‘alte, beste Freundin‘ hatte in der Zwischenzeit einen Freund bekommen und wurde von Tag zu Tag hübscher. Es begann eine Zeit, wo wir viel ausprobierten. Wir gingen auf Partys, tranken Alkohol. Ich nahm zu. Extreeeem zu. 10kg in einem Jahr. Und das nur, weil ich durch das Essen meine Probleme verarbeitete. Der tagtägliche Streit mit meinen Eltern, das Streben nach Perfektion, der Kampf um Anerkennung. Der ganze Frust landete auf meinen Hüften. Ich war eifersüchtig auf die Entwicklung meiner Mitschülerinnen. Ich bekam kaum Brust, jedoch nahm an Stellen zu, wo es niemand gebrauchen kann. Ich war stets dabei, danach zu streben alles ‚perfekt‘ zu machen. Natürlich gelang es mir nicht und ich aß. Ich hab gegessen, regelrecht gefressen. Jedoch war ich in diesen Momenten glücklich.

Dadurch, dass ich oft etwas mit Jungen hatte, bekam ich natürlich einen bestimmten Status. Aber aus dem grund, dass ich ein ‚gutes Elternhaus‘ habe, äußerten nur wenige Leute dieses direkt. Ich merkte es einfach. Ich war nicht so beliebt wie andere und Jungs wollten eigentlich nur ihren Spaß mit mir. Das frustrierte mich noch mehr. Doch ich änderte nichts, da ich jedes Mal dachte, ‚vielleicht ist es jetzt einmal anders, und dieser Junge verliebt sich in mich‘

Im Februar 2011 war es dann soweit und ich war unsterblich verliebt. Alles war perfekt. Ich war glücklich. Meine Eltern mochten ihn& ich verstand mich wieder super mit meinen ihnen. Jedoch war das Glück nicht von langer Dauer, da ein Auslandsaufenthalt von 3 Monaten in Australien geplant war. Wir verbrachten, die wohl 2 schönsten Monate miteinander und dann hieß es Abschied nehmen. Natürlich war ich der festen Überzeugung, dass wir die Zeit überstehen, doch trotzdem weinte ich bei unserem Abschied bitterlich. Als ich ihn das letzte Mal vor meiner Abreise sah, da wusste ich, ich muss alles daran setzen, um ihn zu behalten. Er bedeutete mir so viel. Die Verabschiedung von meiner Familie fiel mir viel, viel schwerer als ich gedacht hatte. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, sie würden mich wirklich vermissen. Es würde etwas in ihrer Mitte fehlen. Als ich den Abschiedsbrief meiner Mutter las, weinte ich so bitterlich, wie lange nicht mehr. Sie schrieb dass sie stolz auf mich sei und glücklich ist, so eine hübsche und intelligente Tochter zu haben. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich meine Mutter liebte. Sehr sogar. Der Hass, den ich sonst immer verspürte, war verflogen und ich nahm mir fest vor, etwas zu ändern, an mir. Ich wollte, dass meine Mutter mir in Zukunft öfter sagen würde, dass sie mich liebt und stolz auf mich ist. Voller Tatendrang begab ich mich auf die Reise ins 16.000km entfernte Australien und es begann eine komplett neue Zeit. Schon im Flugzeug aß ich meine Mahlzeiten ganz langsam und bewusst und auch nur das ‚gesunde‘. Kaum war ich angekommen, begann es mir regelrechten Spaß zu machen, meine Mahlzeiten zu planen. Es machte mir Spaß, Sport zu treiben. Ich bin im Internet auf der Suche nach Abnehmtipps auf Pro Ana gestoßen. Ich war fasziniert davon, wie man nur sowenig essen kann. Es begann ein strukturierter Alltag, der von vorne bis hinten durchgeplant war. Feste Sportzeiten, geplante Mahlzeiten und das ewige Kalorienzählen.

Jeden Abend betrachtete ich mich im Spiegel und war stolz auf mich, wieder einen Tag überstanden zu haben. Ich lebte nur noch mit dem Gedanken, endlich mein Ziel zu erreichen. Träumte von einem schönen Körper und bemerkte nicht, wie ich immer mehr abrutschte. Tieeef hinein in die Magersucht. Natürlich wollte ich zunächst ‚gesund‘ abnehmen und redete mir dieses auch stets ein, jedoch zerstörte ich mich selber. Ich nahm innerhalb von 2 Monate 17kg ab. Mit einem Startgewicht von 68kg und einem Endgewicht von 53kg.

 Als ich wieder zuhause war, waren natürlich alle erschrocken, doch ich begründete mein Aussehen damit, viel viel Sport in Australien gemacht zu haben. Natürlich wusste jeder, dass es nicht so war. Ich empfand meine Mahlzeiten, mit ausschließlich Obst und Gemüse ‚normal‘. Da ich ja schon mehr aß, als in Australien. Jedoch machte ich jeden Tag regelrechten Leistungssport. Ich erfand Ausreden gegenüber meinen Freunden, um nicht essen zu müssen und auch keinen Alkohol zu trinken. Ich war stolz auf mich, wenn ich wieder einmal nein gesagt hatte und bemerkte nicht, dass ich den Bezug zu  meinen Freundinnen immer mehr verlor. Es kostete mich viel mehr Kraft, als in Australien, da hier, zu Hause, stets jemand auf mich achtete und ich Mahlzeiten einnehmen musste.

Dann kam der Urlaub mit meinen Freundinnen in Rimini. Ich fühlte mich so distanziert und unwohl. Sie lachten, hatten Spaß und ich? Ich hatte eine Maske auf und versteckte mein Inneres. Keiner sollte sehen, wie es wirklich in mir aussah. Natürlich war ich unendlich stolz auf meinen Körper, fand mich wirklich schön, jedoch merkte ich nicht, wie ich alles zerstörte. Mir war bewusst, dass sie hinter meinem Rücken über mich redeten, jedoch konnte ich es nicht ändern. Mir war zum Heulen zu Mute. Auch, weil ich mich nach Australien von meinem Freund, den ich mehr als alles andere geliebt habe, getrennt habe. Er hatte mich wirklich betrogen. Dieses stürzte mich natürlich in ein noch tieferes Loch. Ich kam mir wertlos einfach so unheimlich schrecklich vor. Ich finde auch jetzt noch keine Worte dafür. Naja, irgendwann neigte sich der Urlaub dem Ende zu, und ich wusste, dass ich nicht so weitermachen konnte. Aus lauter Frust, aß ich das erste mal nach knapp 4 Monaten eine Süßigkeit. Und das war ein Fehler.
Diese einzige, kleine Süßigkeit löste etwas in mir aus, was ich bis heute nicht beschreiben kann. Ich bekam eine Fressattacke, stopfte ALLES wirklich ALLES in mich hinein und fühlte mich unheimlich schlecht.
Ich konnte nicht mehr damit aufhören. Ich aß und aß und aß… die Tage vergingen. Ich wurde träge und hatte so einen Selbsthass. Ich begann Abführmittel zu nehmen. Ich fühlte mich so hässlich, hatte keinen Lebensmut mehr. Ich hasse diese Phase. Ich bekomme auch jetzt, wo ich dieses hier verfasse, regelrechte Heulkrämpfe. Ich nahm konstant zu. Heute, 8 Monate danach habe ich knapp 10 kg wieder zugenommen und komme einfach nicht mehr von diesen Abführmitteln weg. Ich habe einen so großen Selbsthass und sehe keinen Ausweg mehr. Ich möchte es wieder schaffen, wieder glücklich werden. Allen etwas beweisen..

 Kann das denn so schwer sein?

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